
„Swiss Made“-Uhren: der Goldstandard?
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LASSEN SIE UNS ÜBER SWISSNESS SPRECHEN – UND WARUM SIE SICH DAVON INTERESSIEREN SOLLTEN
Wenn man an die Schweiz denkt, fallen einem wahrscheinlich drei Dinge ein: Schokolade, schneebedeckte Pisten oder Uhren. Diese Dinge haben eine lange, reiche Schweizer Tradition. Doch was bedeutet „Swiss Made“ in der modernen Welt eigentlich, und sollte es für Sie wichtig sein?
SWISS MADE
Selbst eine „einfache“ mechanische Uhr besteht aus Hunderten winziger Teile – und jedes einzelne erfüllt seine Aufgabe und erfordert höchste Präzision und Handwerkskunst. Eine Swiss Made Uhr besteht jedoch nicht zwangsläufig aus 100 % Schweizer Materialien. Eine solche Uhr kann sogar unerschwinglich teuer sein. Stattdessen gilt „Swiss Made“ als Qualitätsmerkmal. Laut gesetzlicher Definition erhält eine Uhr das begehrte „Swiss Made“-Siegel, wenn ihr Uhrwerk – das schlagende Herz jeder Uhr – in der Schweiz montiert, eingekapselt und geprüft wird und 60 % der Produktionskosten der Uhr ausmacht.
Gesetze zur Schweizer Herkunft sind schwer durchzusetzen, und es gibt viele Schlupflöcher, die manche Marken zu ihrem Vorteil nutzen. Manche Uhrwerke werden „schweizerisiert“ – im Ausland hergestellt, in die Schweiz verschifft, zerlegt, wieder zusammengesetzt, geprüft und dann als „Swiss Made“ bezeichnet. Das mag zwar dem Buchstaben des Gesetzes entsprechen, aber nicht dem Sinn und Zweck.
Die Bedeutung von Swissness in der Uhrenwelt ist ein heiß diskutiertes Thema. Manche meinen, Schweizer Uhren seien die einzig „echten Uhren“ und müssten nach einer bestimmten Art und Weise gefertigt werden, während andere darin nur ein Label mit etwas nebulösen Anforderungen sehen. So oder so muss man zugeben, dass Schweizer Uhren seit langem als die feinsten und präzisesten der Welt gelten.
Selbst eine „einfache“ mechanische Uhr enthält Hunderte winziger Teile.
MATERIALIEN MACHEN DEN MANN (UND DIE UHR)
Die Schweiz blickt auf eine lange, ehrwürdige Geschichte der Uhrmacherei zurück – sie erstreckt sich über mehr als 500 Jahre. Doch die Branche hat sich in dieser Zeit enorm weiterentwickelt. Zeitmessgeräte entwickelten sich von großen Uhren über kleinere, „tragbare“ Uhren und Taschenuhren bis hin zu ihrem heutigen Platz am Handgelenk – und die Schweizer haben sich durch all das hindurch behauptet, unter anderem dank ihrer Innovationskraft bei hochwertigen Materialien. So wurde beispielsweise das Saphirglas , heute ein Goldstandard in Sachen Haltbarkeit, vor fast 100 Jahren vom legendären Schweizer Uhrenhersteller Jaeger-LeCoultre entwickelt. Eine Uhr mit Saphirglas ist extrem widerstandsfähig gegen Absplitterungen und Kratzer, während bei preiswerteren, nicht-schweizerischen Uhren üblicherweise ein weicheres, günstigeres Mineralmaterial verwendet wird (sad face).
Schweizer Uhren verwenden traditionell hochwertige Metallsubstrate für Zahnräder, Komponenten und Verbindungsstifte anstelle von Kunststoffteilen (die anfällig für Ausfälle sind). Eine gut verarbeitete Uhr besteht typischerweise aus 316L-Edelstahl mit besonders niedrigem Kohlenstoffgehalt, der sowohl magnetischen Einflüssen als auch Korrosion durch Meerwasser oder säurehaltige Flüssigkeiten widersteht. Im Gegensatz zu vielen anderen gängigen Metallen ist er zudem hypoallergen.
Man kann eine Luxusuhr aus Saphirglas und 316L-Edelstahl bauen, aber das macht sie nicht unbedingt zu einer Schweizer Uhr. Warum also bleibt das Label „Swiss Made“ so begehrt? Mit dem Kauf einer Schweizer Uhr erwerben Sie auch ein Stück der langen Tradition Schweizer Uhrmacher. Bedenken Sie: Rolex ist Schweizer Uhrmacher und die wertvollste Uhrenmarke der Welt. Sie zählt außerdem zu den fünf wertvollsten Luxusmarken überhaupt. Das ist die reiche Tradition, aus der Swiss Made Uhren stammen.
Schweizer Uhrmacher Antoine LeCoultre
DER AUFSTIEG VON SWISS MADE
Das Label „Swiss Made“ umfasst jedoch mehr als nur die Summe der Einzelteile einer Uhr. Schweizer Uhrmacher sind mitverantwortlich für die Verbreitung der Armbanduhr. Es gibt zahlreiche Diskussionen darüber, wann genau die erste Armbanduhr erfunden wurde – vielleicht war es ja einfach nur eine Taschenuhr, die irgendwann einmal am Handgelenk befestigt wurde! Während des Ersten Weltkriegs – mit seinen Luftschlachten und der Nutzung von Funkübertragungen, die eine präzise Synchronisierung erforderten – entstand der Bedarf an präziser Zeitmessung für Militärangehörige. Eine Uhr am Handgelenk zu tragen, anstatt sie in der Tasche zu verstecken, ist doch viel praktischer, oder?
Nach Kriegsende kehrten die Soldaten mit Armbanduhren nach Hause zurück – und sie kehrten nicht mehr zu Taschenuhren zurück. Bis 1930 gab es 50-mal mehr Armbanduhren als Taschenuhren, und die meisten dieser Armbanduhren wurden von Schweizer Unternehmen wie Rolex und Omega hergestellt. Die Schweizer Uhrenindustrie expandierte erst während des Zweiten Weltkriegs, da die Schweiz aufgrund ihrer Neutralität weiterhin Uhren für Verbraucher herstellen konnte, während andere Länder ihre Produktionsstätten für die Rüstungsproduktion nutzen mussten. Am Ende des Zweiten Weltkriegs war die Armbanduhr ein unverzichtbares Accessoire für jedermann – und Schweizer Uhrmacher hielten 50 % des wachsenden Weltmarktes.
Im Jahr 1930 gab es 50-mal mehr Armbanduhren als Taschenuhren, und die meisten dieser Armbanduhren wurden von Schweizer Unternehmen hergestellt.
DER (BEINAHE-)UNTERGANG VON SWISS MADE
Die Schweizer Dominanz in der Uhrenwelt hielt in den 1950er und 60er Jahren an, doch ein winziges Mineralstück veränderte die Uhrenindustrie grundlegend – und hätte die Schweiz nach jahrhundertelanger Dominanz beinahe endgültig aus dem Spiel gedrängt. Wie? Ein Wort: Quarz .
Um die Bedeutung der Quarzkrise zu verstehen, muss man zunächst ein wenig über die Funktionsweise von Uhren wissen. Alle Uhren funktionieren mit einem Oszillator – einem Objekt, das sich kontinuierlich und unveränderlich bewegt. Am einfachsten versteht man Oszillatoren, wenn man an eine Standuhr denkt. Ihr Oszillator ist natürlich das Pendel, das aufgrund der Schwerkraft hin und her schwingt. Mechanische Armbanduhren arbeiten zwar mit einem „harmonischen Oszillator“ statt einem physikalischen, das Konzept ist jedoch dasselbe.
Zurück ins Jahr 1969: Die japanische Uhrenmarke Seiko stellte eine Uhr mit einem völlig anderen Uhrwerk vor – einem batteriebetriebenen Quarzoszillator. Quarz ist piezoelektrisch – es erzeugt elektrischen Strom, wenn Kraft oder Ladung darauf ausgeübt wird. Das bedeutete, dass eine Uhr mit Quarzwerk mit einer Batterie betrieben werden konnte, anstatt ihre Energie aus dem komplexen Getriebe einer mechanischen/automatischen Uhr zu beziehen. Die erste Uhr mit Quarzwerk war die Seiko Astron, ein auffälliges Goldstück, das sich der durchschnittliche (oder angehende) Uhrenträger niemals leisten konnte.
Mit der Zeit – im wahrsten Sinne des Wortes – und sinkenden Produktionskosten definierten Quarzwerke das Uhrenkonzept neu. Armbanduhren waren kein Statussymbol mehr, sondern wurden zu lässigen Accessoires, die sich jeder leisten konnte – und Japan übernahm erstmals die Führung in der Uhrenwelt und verdrängte die Schweiz. Doch die Schweizer eroberten in den 1980er-Jahren mit der Erfindung der Swatch-Uhr (als direkte Reaktion auf die „Quarzkrise“) die Führung zurück und sind bis heute dort.

Die Swatch-Uhr, die die 1980er Jahre im Sturm eroberte (und die Quarzkrise beendete)
SWISSNESS HEUTE
Kann man mit einer Swiss Made Uhr etwas falsch machen? Sicher, es gibt Uhrmacher, die ihre Produkte „schweizerisch“ gestalten, nur um das begehrte Label tragen zu können, aber im Großen und Ganzen werden die meisten Uhren mit dem Swiss Made-Siegel der reichen Geschichte, auf die es verweist, gerecht.
SWISS MOVT
Eine ähnliche Bezeichnung, „Swiss Movt“ (Uhrwerk), bedeutet, dass das Uhrwerk selbst als Schweizer Uhrwerk gilt. Eine Swiss Made Uhr ist per Definition mit einem Schweizer Uhrwerk ausgestattet, was aber nicht unbedingt der Fall ist. Denken Sie daran, dass das Uhrwerk das schlagende Herz jeder Uhr ist. Daher sind beide Bezeichnungen ein Zeichen für eine gut designte Uhr.
SCHWEIZER TEILE
Ein drittes Indiz für Schweizer Herkunft ist „Swiss Parts“. Das bedeutet, dass das Uhrwerk Komponenten enthält, die in der Schweiz hergestellt, aber anderswo montiert werden (oft, damit die Hersteller von den niedrigeren Löhnen in Ländern mit laxen Arbeitsgesetzen profitieren können).
Als ob diese Bezeichnungen nicht schon verwirrend genug wären, gibt es auch noch die Sache mit dem „Schweizer Design“. Als Grafikdesign-Bewegung der Mitte des Jahrhunderts hat „Schweizer Design“ mehr mit Helvetica als mit Uhrmacherei zu tun. Der Begriff wird jedoch oft verwendet, um jedes Design mit klaren Linien und einer strukturierten oder gerasterten Form zu bezeichnen. „Schweizer Design“ ist jedoch kein formaler Indikator für Schweizer Design.
Im Grunde ist Swissness viel mehr als bloße Worthülsen. Echte Qualitätsuhrmacher verstehen die Bedeutung des Schweizer Uhrenerbes und verwenden die hochwertigsten Materialien, um es zu bewahren – und es ist eine Ehre, dies zu tun.
LIV Swiss Made Uhrenproduktion

Über den Autor
Esti Chazanow, Mitgründerin von LIV Watches